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Wuppertal „Zwischennutzungsagentur“

(Nordrhein-Westfalen)

Neue Nutzungen in alten Ladenlokalen

In Wuppertal wurde 2007 angesichts hoher Geschäftsleerstände insbesondere in gründerzeitlich geprägten Stadtquartieren die Zwischennutzungsagentur Wuppertal eingerichtet. Ziel der Agentur, die mit Mitteln aus den Städtebauförderungsprogramm Stadtumbau West und Die Soziale Stadt finanziert wurde, war auf der einen Seite die Sensibilisierung von Eigentümern leer stehender Ladenlokale für den Mehrwert von Zwischennutzungen und auf der anderen Seite die Vermittlung von Ladenflächen an interessierte Zwischennutzer, um letztlich dem Niedergang traditioneller Geschäftslagen entgegen zu wirken. Bis Ende 2009 konnten so insgesamt 76 temporäre oder dauerhafte Nutzungen vermittelt werden.

Kontext

Die am Projekt beteiligten KünstlerQuelle: Thomas Weyland

Die Stadt Wuppertal ist besonders von den Folgen des wirtschaftlichen und demografischen Strukturwandels betroffen: Zu den wirtschaftlichen und demografischen Veränderungen kommen insbesondere die Auswirkungen auf den Einzelhandel hinzu, die das Stadtbild in einigen Quartieren negativ beeinflussen.

Die Zahl inhabergeführter Geschäfte geht u. a. infolge der Alterung von Inhabern und fehlenden Nachfolgern zurück, Filialisierung und Banalisierung des Warenangebotes sind ebenso Folgen wie Leerstände, die sich zudem aus der Konkurrenz großer Einkaufszentren am Stadtrand ergeben. Eine Konzentration von Geschäftsleerständen ist vor allem in gründerzeitlich geprägten Quartieren zu beobachten. In den fünf Wuppertaler Stadtteilen Arrenberg, Elberfelder Nordstadt, Ostersbaum, Unterbarmen und Oberbarmen/Wichlinghausen wurden zusammen 342 leer stehende Ladenlokale gezählt, was zu erheblichen städtebaulichen Defiziten und Funktionsverlusten und letztlich zu einer typischen Abwärtsspirale in diesen Lagen geführt hat: Städtebauliche Defizite bedingten eine mangelnde Nachfrage und teilweise Tendenzen sozialer Segregation, was u. a. zu Verunsicherungen bei den Eigentümern führte. Erforderliche Investitionen in den Gebäudebestand unterblieben oftmals, so dass die Quartiere weiter an Attraktivität verloren und weitere Geschäfte geschlossen wurden, was wiederum weitere städtebauliche Defizite verursacht.

Vor diesem Hintergrund wurden in den benannten Stadtteilen Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderungsprogramme „Die Soziale Stadt“ oder „Stadtumbau West“ gefördert. Mit einem Wettbewerb für Schaufenstergestaltungen (2003) und im Rahmen der REGIONALE 2006 wurden bereits erste Maßnahmen zum Umgang mit den leer stehenden Ladenlokalen erprobt. Auch im Städtebaulichen Entwicklungskonzept Wuppertal wird das Thema aufgegriffen und dem Instrument Zwischennutzung eine hohe Bedeutung für die Wiederbelebung der von Leerstand betroffenen Lagen zugemessen.

Im Frühjahr 2007 wurde dann die Zwischennutzungsagentur Wuppertal ins Leben gerufen und bis Mitte 2010 aus Stadtumbau West- und Soziale Stadt-Mitteln gefördert. Ziel des Projektes war die Verringerung der Zahl leer stehender Ladenlokale, und die Entwicklung neuer Angebote und Attraktivitäten, um damit die Quartiere wieder aufzuwerten.

Projektbeschreibung

Das Theater Bohm und BöhmerQuelle: Thomas Weyland

Mit der Zwischennutzungsagentur Wuppertal wurde eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, deren Arbeit sich aus verschiedenen Schwerpunkten zusammensetzte: Zunächst mussten die Gebäudebestände erhoben, Eigentümer ermittelt und angesprochen sowie potenzielle Zwischennutzer gesucht werden. Parallel begann die Zwischennutzungsagentur mit ihrer hauptsächlichen Tätigkeit, der Beratung und Unterstützung von Eigentümern und Zwischennutzern und schließlich der Vermittlung von Räumlichkeiten.

Die Kontaktaufnahme und Ansprache der Eigentümer erwies sich als sehr aufwändig, da die Eigentumsstruktur in den Stadtteilen – typisch für gründerzeitlich geprägte Quartiere – sehr kleinteilig und heterogen ist. Zudem stellten teilweise sprachliche Barrieren oder mangelndes Interesse insbesondere auswärtig lebender Eigentümer weitere Hürden bei der Kontaktaufnahme dar. Daher konzentrierte sich die Zwischennutzungsagentur auf die Eigentümer, an deren Ladenlokal ein konkretes Nutzungsinteresse bestand. Von diesen konnte immerhin die Hälfte nach Eigentumsverhältnissen, Daten zur Immobilie, Gründen für den Leerstand, Bedarf an Hilfestellungen und nach dem Interesse an einer Zwischennutzung befragt werden.

Im Ergebnis der Eigentümerbefragung stellte sich heraus, dass die größten Hindernisse für eine Wiedervermietung leer stehender Ladenlokale unrealistische Mietpreisvorstellungen, mangelnde Investitionsbereitschaft und baurechtliche Hürden waren. Letztere ergeben sich u. a. aus der Tatsache, dass Nutzungsänderungen oft Bauanträge bedürfen, für die Unterlagen beigebracht werden müssen und Gebühren anfallen können. Die Nachfrage nach geeigneten Räumlichkeiten für Zwischennutzungen ging hauptsächlich von Künstlern und Kulturschaffenden einerseits sowie von Vereinen und Dienstleistern andererseits aus. Bei den Dienstleistern handelte es sich in erster Linie um soziale Träger, aber auch um gewerblich tätige wie Architektur- oder Grafikbüros sowie Existenzgründer.

Aus den Erhebungen der Zwischennutzungsagentur entstand u. a. eine Leerstandsdatenbank und eine Interessentenliste. Beides floss in eine kartografische Darstellung ein, so dass auf Ebene von Mikrostandorten der Projektfortschritt in unterschiedlichen Kategorien (Laden zwischengenutzt, vermietet, nicht nutzbar, begonnene Verhandlungen zu Zwischennutzung, Eigentümer unbekannt bzw. kein Kontakt hergestellt) visualisiert werden konnte.

Öffentlichkeits- und Vernetzungsarbeit waren weitere wesentliche Bausteine der Arbeit der Zwischennutzungsagentur Wuppertal. Dies geschah mittels Pressearbeit, über ein Corporate Design, über Auftritte der Zwischennutzungsagentur bei Stadtteilkonferenzen, Bürgervereinen, in der Kulturszene etc. sowie über öffentlichkeitswirksame Aktionen und Projekte. So entstand ein Netzwerk unterschiedlicher Akteure aus Verwaltung, Bürgern, potenziellen Zwischennutzern und Eigentümern, das u. a. über Informationen aus Newslettern und einer Internetseite zusammengehalten wurde. Für die Aktivierung dieser Akteure wurden unterschiedliche Herangehensweisen gewählt, die auf die Gegebenheiten in den einzelnen Stadtteilen eingingen, je nachdem, ob beispielsweise auf eingespielte Beteiligungsstrukturen zurückgegriffen werden konnte oder wie ausgeprägt das Interesse war.

Beratungsbedarf gab es auf Seiten der Eigentümer hinsichtlich der realistischen Einschätzung der immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Wuppertal, hinsichtlich des Mehrwerts von Zwischennutzung für Eigentümer, zu möglichen Förderungen für Investitionen und insbesondere bezüglich rechtlicher Fragestellungen. Bei der Nutzerberatung ging es meist um die Eignung von Objekten (Lage, Größe, Zustand etc.), um die Vermittlung weiterer Beratungsangebote (z. B. Existenzgründerhilfen) oder um die gemeinsame Planung und rechtliche Absicherung von Projekten und Aktionen.

Bis Ende 2009 wurden 195 Beratungsgespräche mit Eigentümern und 467 mit Nutzungsinteressierten geführt und insgesamt 76 Nutzungen vermittelt. 70% der vermittelten Nutzungen waren temporär (darunter auch gut 20% Event-Nutzungen), die restlichen haben sich zu Dauernutzungen entwickelt. Bei der Art der Nutzung dominierten Ausstellungen (44%) vor sozialen und gewerblichen Dienstleistungen (zusammen 26%). Bei rund einem Viertel der Vermittlungen wurde nur das Schaufenster als Nutzungsfläche beansprucht.

Projektchronologie

JahrEreignis
1998Aufnahme eines ersten Stadtteils (Ostersbaum) in das Programm „Soziale Stadt NRW“
2003Wettbewerb für temporäre Schaufenstergestaltung in drei Ladenlokalen
2004Aufnahme einer ersten Maßnahme (Talachse) in das Programm „Stadtumbau West“
2006Studie „Neue Konzepte für leerstehende Ladenlokale“ im Rahmen der Regionale 2006
2007Einrichtung der Zwischennutzungsagentur Wuppertal im Frühjahr
2008Erscheinen des ersten Newsletters der Zwischennutzungsagentur
2009Gründung des Vereins „Aufbruch am Arrenberg e.V.“ (angeregt durch die Maßnahme „Der Arrenberg is(s)t“, s. u.)
2010Erscheinen des Handbuchs „Den Leerstand nutzen – Erfahrungen mit der Zwischennutzung von Ladenlokalen in Wuppertal“

Ziele

Projekt Gerüch(t)ekücheQuelle: Bettina Osswald, www.photographie-oswald.de

  • Etablierung neuer Nutzungen
  • Sichtbarmachen von Potenzialen
  • Aufwertung des Erscheinungsbildes
  • Imageverbesserung der Quartiere

Maßnahmen

Das Projekt GegensätzeQuelle: Kolja Kunstreich

  • Anlegen einer Leerstandsdatenbank und Interessentenliste
  • Beratungsgespräche mit Eigentümern und Nutzungsinteressierten
  • „Die Gerüch(t)eküche“: Interkultureller Küchentisch in leer stehenden Ladenlokalen
  • „altGOLD & jungBLUT“: Künstlerisches Kooperationsprojekt der Evangelischen Altenhilfe mit einer Grundschule, anschließende Ausstellung von Bildern und Fotos in leer stehenden Ladenlokalen
  • Theater „Bohm & Böhmer“ mit 42 Vorstellungen in sieben verschiedenen Ladenlokalen
  • „OLGA – Visual Performing Arts“: Gemeinsames Atelier dreier Künstler aus den Bereichen Tanz, Choreografie, Malerei und Fotografie
  • „Der Arrenberg is(s)t“: Sechs Abendessen in leer stehenden Ladenlokalen mit geladenen Akteuren mit dem Ziel der Aktivierung
  • Einzug der Kindereventagentur „Lunikids“ in die Räumlichkeiten eines ehemaligen Supermarktes (als Dauernutzung angelegtes Projekt, das jedoch aus privaten Gründen beendet werden musste)

Innovationen

Das Projekt "der Arrenberg isst"Quelle: Patricia Eichert

Die Zwischennutzungsagentur Wuppertal hat ihre Aktivitäten auf leer stehende Ladenlokale in fünf gründerzeitlich geprägten Stadtteilen und damit auf eine bestimmte Gebietskulisse konzentriert. Diese räumliche Konzentration hat in Verbindung mit gezielten Ansprachen von Zwischennutzern und Eigentümern zum einen die nahezu komplette Erhebung des Bestandes (an Ladenlokalen) und zum anderen eine außergewöhnliche inhaltliche Tiefe bei Projektbegleitung und -auswertung ermöglicht. Dies schlägt sich u. a. im 2010 veröffentlichten Handbuch der Zwischennutzungsagentur nieder, wo von nutzerspezifischen Bedürfnissen und Hindernissen über rechtliche Lösungsvorschläge bis hin zu Aktivierungsstrategien eine sehr systematische und umfassende Dokumentation erfolgt, eingeordnet in projektübergreifende Forschungsergebnisse zum Thema Zwischennutzungen.

Quellen

  • BMVBS/BBSR (Hrsg.): Zwischennutzungen und Nischen im Städtebau als Beitrag für eine nachhaltige Stadtentwicklung. In: Werkstatt: Praxis Heft 57. Bonn 2008, S. 94f. Zwischennutzungen und Nischen im Städtebau
  • Zwischennutzungsagentur Wuppertal: Den Leerstand nutzen. Erfahrungen mit der Zwischennutzung von Ladenlokalen in Wuppertal. Wuppertal 2010. Zwischennutzungsagentur Wuppertal

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Wuppertal - Zwischennutzungsagentur

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 42105 - Ort: Wuppertal - Straße: Zimmerstraße 40.

Letzte Änderung: 13.03.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Stadt Wuppertal, Ressort Stadtentwicklung und Städtebau, Herr Rainer Knecht, Johannes-Rau-Platz 1 42275 Wuppertal, Tel.: +49 202 563-5943, Fax: +49 202 563-8043, E-Mail: rainer.knecht@stadt.wuppertal.de
  • ORG.BERATUNG, Schulten & Weyland GbR, (Agenturbetreuer 2007/2010), Zimmerstr. 40, 42105 Wuppertal, Tel.: +49 202 49570-18, Fax: +49 202 49570-17, E-Mail: info@orgberatung.de
  • Innovationsagentur Stadtumbau NRW, Talstraße 22 – 24, D-40217 Düsseldorf, Tel.: +49 211 5444-866, Fax: +49 211 5444-865, E-Mail: info@StadtumbauNRW.de

Datensatz eingestellt am 19.09.2016 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) .

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