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Selb „Gesundheits- und Pflegenetzwerk“

(Bayern)

Soziale Dienstleistungen für ältere Menschen im Gebäudebestand

In der ehemaligen Porzellanstadt Selb wurde bis zum Jahr 2010 bei der Altersgruppe der 65- bis 80jährigen sowie besonders bei den hoch betagten Menschen eine deutliche Zunahme prognostiziert. Die Stadt bereitete sich auf diese Entwicklung mit dem Auf- bzw. Ausbau eines Gesundheits- und Pflegenetzwerks vor. Das Netzwerk besteht aus einer zentralen Kontaktstelle sowie vorhandenen stationären und ambulanten Einrichtungen der Stadt und der umliegenden Region. Die angebotenen Dienste sind mit neuen Wohnformen verknüpft und nutzen vorhandene, leer stehende Gebäude.

Kontext

Umbaumaßnahmen an einem Gebäude der 1950er JahreQuelle: Stadt Selb

Die Stadtentwicklung in Selb ist eng mit der Porzellanindustrie verbunden. Die Absatzkrise der keramischen Industrie Mitte der 1990er Jahre hatte einen erheblichen Rückgang der Beschäftigten zur Folge und führte zu hohen Einwohnerverlusten. Die Einwohnerzahl reduzierte sich in den letzten drei Jahrzehnten von 24.000 auf ca. 16.500 (2008). Die Arbeitslosigkeit lag bei ca. 12 %. Ein Viertel der Einwohner war über 65 Jahre alt. Bis zum Jahr 2010 wurde insbesondere für die Altersgruppen der 65- bis 80jährigen eine stetige Zunahme prognostiziert. Daher rechnete die Stadt mit einem steigenden Bedarf an gesundheits- und pflegebezogenen Dienstleistungen. Gleichzeitig führten die Einwohnerverluste zu Leerständen im großen Mietwohnungsbestand der Stadt. Die Bewältigungsstrategie der Stadt Selb setzte wegen einer zu erwartenden veränderten Nachfrage, insbesondere durch die wachsende Zahl älterer Menschen, auf die Entwicklung von Anpassungskonzepten des Wohnungsangebotes und den Ausbau sozialer Dienstleistungen.

Projektbeschreibung

Umbaumaßnahmen an einem Gebäude der 1950er JahreQuelle: FORUM GmbH

Die Stadt Selb hat ein Konzept für den Auf- bzw. Ausbau eines Gesundheits- und Pflegenetzwerks mit zentralen fachlichen Einrichtungen entwickelt. Damit stellte sie sich den Herausforderungen des wirtschaftlichen Strukturwandels und des durch demographische Veränderungen verursachten Schrumpfungsprozesses. Fragen zur Auslastung und Wirtschaftlichkeit vorhandener Einrichtungen, zur Personalsituation, zur Zusammenarbeit der Dienstleister, zum zukünftigen Bedarf sowie zu Problemen und guten Erfahrungen wurden erörtert und geklärt. Eine zentrale Rolle in den Diskussionen um die Optimierung der Pflegesituation spielte die Neunutzung von leer stehenden Gebäuden für Gruppen mit spezifischem Wohnbedarf.

Kern des Netzwerkes ist eine zentrale Beratungsstelle, mit Informationsangeboten rund um die Pflege alter Menschen. Sie verfügt über eine Datenbank aller Anbieter in Stadt und Region, koordiniert Aktivitäten, vernetzt die angebotene Versorgung und vermittelt Hilfsleistungen. Selbst kleine Dienstleistungen wie die Hilfen beim Einkauf, bei der Wäsche oder der Wohnungsreinigung, werden dort vermittelt. In den Stadtbezirken Vorwerk und Selb-Ost wurden im Verbund mit der geplanten Kontaktstelle in der Innenstadt sogenannte Pflegestützpunkte eingerichtet. Hier arbeiten und unterstützen professionelle Kräfte und ehrenamtliche Helfer ältere und pflegebedürftige Menschen. So können auch in den weniger zentralen Stadtteilen hilfsbedürftige ältere Menschen persönlich betreut werden.

Die Einrichtungen des Netzwerks wurden nach den Zielen der Stadt vorrangig in leer stehenden Gebäuden untergebracht. So wurden soziale und städtebauliche Herausforderungen verknüpft. Ein erster Pflegestützpunkt konnte bereits 2007 im Stadtteil Vorwerk in einem sanierten und umgebauten Wohngebäude der 1950er Jahre eingerichtet werden. Die neue Einrichtung beinhaltet das Angebot der Tagespflege mit einem Schwerpunkt im Demenzbereich. Neben dem Pflegestützpunkt wurden durch den Umbau eines Wohngebäudes acht barrierefreie Wohnungen eingerichtet. Die Maßnahme konnte durch die intensive Kooperation der Stadt mit einem Wohlfahrtsverband zügig umgesetzt werden. Die Stadt Selb schuf die baulichen Voraussetzungen für den Pflegestützpunkt. Das Bayerische Rote Kreuz hatte schon frühzeitig konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung und Organisation der Einrichtung und zur Trägerschaft vorgelegt. So wurde ein Raumprogramm erarbeitet, das diese Vorschläge bereits in der Planungsphase berücksichtigen konnte.

Das Gesundheits- und Pflegenetzwerk war ein Impulsprojekt der Stadt Selb im Rahmen ihrer Teilnahme am Experimentellen Wohnungs- und Städtebau-Forschungsfeld (ExWoSt-Forschungsfeld) Stadtumbau West in den Jahren 2002 bis 2007.

Projektchronologie

JahrEreignis
2002Aufnahme in das ExWoSt-Forschungsfeld Stadtumbau West
2003Erarbeitung des integrierten Stadtentwicklungskonzeptes
2004Erstellung des Konzepts und des Rahmenplans für das Gesundheits- und Pflegenetzwerk in zwei Werkstätten
2005Beginn der Konzeptumsetzung
2007Fertigstellung erster Bausteine des Netzwerks
seit 2008Umsetzung weiterer Elemente

Ziele

Zur Seniorenanlage umgebautes Gebäude aus den 1950er JahrenQuelle: FORUM GmbH

  • Verbesserte Betreuungs- und Pflegesituation für Stadt und Landkreis
  • Ausnutzen von Synergien der Zusammenarbeit der öffentlichen und privaten Einrichtungen
  • Aktivierung leer stehender Gebäude
  • Förderung innerstädtischen Wohnens
  • Ausbau ambulanter Betreuung

Maßnahmen

Zur Seniorenanlage umgebautes Gebäude aus den 1950er JahrenQuelle: FORUM GmbH

  • Konzepterstellung zur Einrichtung des Netzwerkes
  • Neue ambulante und stationäre Betreuungseinrichtungen
  • Beteiligung aller relevanten Organisationen, Verbände und Vereine am Netzwerk
  • Sanierung und Modernisierung leer stehender Gebäude im Umfeld der Betreuungseinrichtungen
  • Anpassung der Wohnungen an die Zielgruppe der älteren Menschen

Innovationen

Zur Seniorenanlage umgebautes Gebäude aus den 1950er JahrenQuelle: FORUM GmbH

Im Rahmen des Gesundheits- und Pflegenetzwerks für alte Menschen sind soziale und städtebauliche Aufgaben auf intelligente Weise miteinander verknüpft worden: Gebäudeleerstand und Verortung von sozialen Dienstleistungen wurden miteinander verknüpft. Dazu hat in besonderem Maße die intensive Zusammenarbeit der Fachämter „Soziales“ und „Stadtplanung“ beigetragen. Das Netzwerk besteht aus einer Kontaktstelle und den vorhandenen stationären und ambulanten Einrichtungen. Es verknüpft seine Dienste mit neuen zielgruppenspezifischen Wohnangeboten. Dadurch wird das Pflegeangebot in Stadt und Landkreis optimiert und gleichzeitig innerstädtisches Wohnen gefördert. Für leer stehende Gebäude konnten neue Nutzungen gefunden werden. Da das Netzwerk kreisweit organisiert ist und neben den Angeboten der Stadt auch die Einrichtungen der Region einbezogen sind, wird zudem die Vernetzung zwischen Stadt und Region gezielt unterstützt. Die angebotenen Dienstleistungen des Pflegstützpunktes wurden von Beginn an gut angenommen und bei den neu geschaffenen Wohnungen bestand von Anfang an Vollvermietung.

Quellen

  • Stadt Selb: Abschlussbericht zum ExWoSt-Forschungsfeld Stadtumbau West 2002 - 2007 ExWoSt-Forschungfelds: Stadtumbau West
  • Ortsbezogene Gesundheitsdienstleistungen: Selb - Pflegestützpunkt Vorwerksiedlung. Online Dokument im ExWoSt-Forschungsfeld Stadtumbau West [LINK]

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Selb "Gesundheits- und Pflegenetzwerk"

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 95100 - Ort: Selb - Straße: Vorwerkstraße 44.

Letzte Änderung: 12.04.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Helmut Resch, Stadt Selb, Ludwigstraße 6, 95100 Selb, Tel. 09287 - 883-157, Email: helmut.resch@selb.de
  • Bundestransferstelle Stadtumbau West, FORUM GmbH, Schlachte 1/Erste Schlachtpforte, 28195 Bremen, Tel.: 0421 - 696777 - 0, Email: team@forum-bremen.info

 

Datensatz eingestellt am 14.12.2009 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

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