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Pfarrkirchen „Rottaue“

(Bayern)

Hochwasserschutz und Flussrenaturierung

Kontext

Die kanalisierte Rott vor der UmgestaltungQuelle: Wasserwirtschaftsamt Deggendorf

Die Rott, ein Gewässer erster Ordnung, fließt mitten durch die Kreisstadt Pfarrkirchen (ca. 11.800 Einwohner, Stand 2010). Vor der Umsetzung des Hochwasserschutzprojektes war der kanalisierte und eingedeichte Fluss im Stadtgebiet kaum erlebbar. Er hatte trennende Wirkung und stellte die Rückseite des Ortes dar.

Anlass für die umfassende Umgestaltung der Rottaue war der unzureichende Hochwasserschutz. Die Stadt Pfarrkirchen hatte ca. 56 Hektar Wohn-, Gewerbe- und Sondergebiete im 1997 neu festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Rott. Bei einem hundertjährlichen Hochwasser wurden ca. 215 Wohngebäude und 36 Betriebe überflutet. Das Hochwasserrückhaltebecken Rottauensee in Postmünster war mit etwa 10 Mio. m³ zu klein, um diese Gebiete vor Extremhochwasser (Abfluss 370 m³/s) zu schützen.

Über Hochwasserschutzmaßnahmen hinaus war auch der Abbruch des alten Ausleitungskraftwerkes und dessen Ersatz durch ein neues Laufwasserkraftwerk erforderlich, da das alte Kraftwerk der Rott zu große Wassermengen entzog. Das führte bei Niedrigwasser zu einer erheblichen Verschlechterung der Wasserqualität.

Projektbeschreibung

Blick auf den Maßnahmenplan: Gewässerentwicklung (blau), Hochwasserschutz (grün), Naherholung+Hochwasserschutz+Gewässerentwicklung (gelb)Quelle: Wasserwirtschaftsamt Deggendorf

In den Jahren 2001/2002 wurde ein Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz und die stadtbezogene Naherholung erstellt. Zugleich entstand ein Informationsangebot, das über den Hochwasserschutz hinaus auch über ökologische Zusammenhänge aufklärt.

Bauherr für den Hochwasserschutz ist der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirtschaftsamt Deggendorf. Das Hochwasserschutzkonzept wurde in enger Kooperation mit der Stadt Pfarrkirchen erarbeitet, die für die Erholungsangebote sowie für Pflege und Unterhalt zuständig ist. Die Stadtwerke Pfarrkirchen betreiben die Wasserkraftanlage.

Die Maßnahmen zum Hochwasserschutz ziehen sich über eine Länge von ca. 3,6 km entlang der Rott (Fkm 50,6 bis Fkm 56,0) durch Pfarrkirchen. Um einen verlässlicheren Hochwasserschutz zu erreichen, wurde das Retentionsvolumen der Rottau deutlich erweitert. Es entstanden Flutmulden, Deiche und Mauern wurden zurückverlegt. Um diese Maßnahmen realisieren zu können, mussten einige Eigentümer von Lager- und Wohngebäuden in unmittelbarer Nähe der Rott abgelöst werden.

Neben dem Hochwasserschutz bestand ein weiteres Ziel darin, die Freizeit- und Erholungsangebote aufzuwerten. Maßnahmen hierzu waren z.B. die Gestaltung nutzbarer Uferbereiche in der erweiterten Aue mit Geh- und Radwegen und die Umsetzung eines Freizeitkonzeptes. Unmittelbar am Fluss entstanden eine Holzplattform, ein Theatron für Veranstaltungen und außerhalb des Hochwasserbereiches ein Informationspavillon.

Heute bildet die mäandrierende Rott mit unterschiedlichen Tiefen und Breiten, verschiedenen Uferabfolgen, dynamischen Strömungsverhältnissen und weiten Überschwemmungszonen einen vielfältigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Mit dem komplexen Maßnahmenbündel konnte zugleich der Hochwasserschutz verbessert und ein Teilbereich am Fluss für Erholung nutzbar gemacht werden. Die Schule an der Rott nutzt die Aue als „grünes Klassenzimmer“, und der BUND Naturschutz bietet Lehrerfortbildungen in der renaturierten Rottaue an.

Die Kosten belaufen sich auf rund 18,1 Mio. Euro (ohne Wasserkraftwerk). Das Hochwasserschutzprojekt wurde im Wesentlichen vom Freistaat Bayern finanziert. Die Stadt Pfarrkirchen trägt 35 % der Kosten für den technischen Hochwasserschutz. Außerdem beteiligten sich die EU mit Fördermitteln und die Bundesrepublik Deutschland mit einer weiteren Kofinanzierung am Gesamtprojekt.

Da in Pfarrkirchen kein Flächenmangel herrscht und attraktive Wohnlagen am Hang existieren, wird der künftige Entwicklungsdruck auf die unmittelbaren Wasserlagen als gering eingeschätzt. Nichtsdestotrotz löst die Umgestaltung des Flussraumes mittelbare Effekte aus. So wurden erste Fassaden erneuert, und auf ehemals gewerblich genutzten Flächen ist ein kleines Wohngebiet entstanden.

Projektchronologie

JahrEreignis
1997Festsetzung von Überschwemmungsgebieten
2001Gesamtkonzept für den Hochwasserschutz in Pfarrkirchen
2005-20081. Bauabschnitt
20072. Bauabschnitt
2008-20093. Bauabschnitt

Ziele

Holzplattform in der RottQuelle: bgmr Landschaftsarchitekten

  • Schutz vor hundertjährlichem Hochwasser unter besonderer Berücksichtigung der Gewässerentwicklung
  • Sicherung und Verbesserung des Flusstals als stadtbezogene Erholungs-, Freizeit- und Naturfläche
  • Verbesserung der Wasserqualität und Erhöhung des Niedrigwasserabflusses durch die Erneuerung des Wasserkraftwerkes

Maßnahmen

Rad- und Fußweg und Theatron im AuenparkQuelle: bgmr Landschaftsarchitekten

  • Bürgerinformationsabende
  • „Tag des Wassers“ (ca. 2000 Teilnehmer)
  • Informationsbroschüren mit Zahlen und Fakten der Hochwasserschutzmaßnahme
  • Gesamtkonzept (Ingenieurbüro Blasy & Mader, Eching)
  • Bauabschnitt 1: Schlauchwehr, Pumpwerke, Kiesschleuse, 670 m Deiche, 345 m Mauern, Vorlandabgrabungen, 450 m Umgehungsgerinne, 100 m Sohlrampe, Wirtschaftswege, Uferbefestigung, Erneuerung der Wasserkraftanlage; Verlegung und naturnahe Bachgestaltung; Freizeitkonzept mit Bootssteg (Holzplattform), Tribüne (Theatron) und einer 50 m Uferbank
  • Bauabschnitt 2: Vorlandabtragungen, Verlegung der Rottbrücke, 700 m Deiche, 160 m Mauern, Wirtschaftswege, Pumpwerke
  • Bauabschnitt 3: 600 m Deiche, Wirtschaftswege und Flutmulden
  • Pflanzungen und ökologische Ausgleichsmaßnahmen in allen Bauabschnitten

Innovationen

Der Auenpark wird für unterschiedliche Veranstaltungen genutzt. Hier: WeltwassertagQuelle: Wasserwirtschaftsamt Deggendorf

Mit der Umgestaltung der Rottaue und dem Hochwasserschutzprojekt wurden zugleich städtische Erholungsqualitäten und hervorragende ökologische Effekte erreicht. In Ortslage ist ein attraktiver, für die Allgemeinheit nutzbarer Landschaftsraum und ein Möglichkeitsraum für die Zukunft entstanden. Die Grundstücke entlang der Rott liegen nun in attraktiver Wasserlage und haben den Erholungsraum direkt vor der Haustür.

Quellen

  • Interview am 15.06.2010 mit Bernhard Schwarz, Wasserwirtschaftsamt Pfarrkirchen und Wolfgang Zanella, Bauamt der Stadt Pfarrkirchen
  • Integrierte Stadtquartiersentwicklung am Wasser auf der Homepage des BBSR Integrierte Stadtquartiersentwicklung am Wasser

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Pfarrkirchen - Rottaue

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 84347 - Ort: Pfarrkirchen - Straße: Äußere Simbacher Straße.

Letzte Änderung: 19.04.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Bernhard Schwarz, Wasserwirtschaftsamt Deggendorf, Servicestelle Pfarrkirchen, Arnstorfer Str. 11, 84347 Pfarrkirchen, Tel.: 08561 305-170, bernhard.schwarz@wwa-deg.bayern.de
  • Stadt Pfarrkirchen, Bauamt

Datensatz eingestellt am 02.04.2012 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

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