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Osnabrück „KonVisionen“

(Niedersachsen)

Neue gesamtstädtische Perspektiven für Konversionsflächen

2006 fiel die Entscheidung, den britischen Garnisonsstandort in Osnabrück zu schließen. Damit stand die Stadt vor der Herausforderung, über 160 Hektar Konversionsflächen einer neuen Nutzung zuzuführen. Dazu wurde 2007 ein systematischer Planungsprozess mit starker Beteiligung der Öffentlichkeit unter dem Titel „KonVisionen“ eingeleitet, der bereits in den ersten vier Jahren zu vielfältigen Erfolgen geführt hat.

Kontext

Rückbau auf dem Gelände der ehemaligen WinkelhausenkaserneQuelle: FORUM Bremen

Umstrukturierungen innerhalb der britischen Streitkräfte führten 2006 zu der Entscheidung, den ehemals größten Garnisonsstandort außerhalb Großbritanniens in Osnabrück bis 2009 aufzugeben. Mit der Übergabe der letzten Kasernenfläche an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) im März 2009 stehen im Stadtgebiet von Osnabrück somit insgesamt sechs Kasernenareale mit einer Gesamtfläche von etwa 160 Hektar für neue Entwicklungen zur Verfügung. Die gesamtstädtische Aufgabe besteht seither darin, die bisher für die Öffentlichkeit unzugänglichen Kasernenareale für zivile Nutzungen zu öffnen und die frei gewordenen Flächen in das Stadtgefüge konzeptionell einzubinden. Die besondere Herausforderung für die Stadt ergibt sich aus der enormen Menge an kurzfristigen Flächenpotenzialen bei gleichzeitig leicht rückläufiger Bevölkerungsentwicklung.

Die Lage- und Standortqualitäten der sechs ehemaligen Kasernenstandorte sind sehr unterschiedlich. So liegen die Kaserne Am Limberg (ehemals Mercer and Imphal Barracks) und die Kaserne an der Landwehrstraße (ehemals Quebec Barracks) eher am Stadtrand, während die Winkelhausenkaserne (ehemals Roberts Barracks) im Hafen und die Scharnhorst-, Metzer- und Von-Stein-Kaserne (ehemals Belfast, Prestatyn und Woolwich Barracks) als zentrumsnah eingestuft werden können. Die außerhalb der Kasernen gelegenen britischen Wohnquartiere umfassen ca. 1.350 Wohnimmobilien und sind weitgehend auf drei Stadtteile – teilweise sehr innenstadtnah – verteilt. Weiterhin standen bzw. stehen nach Abzug der britischen Streitkräfte noch zwei Schulgrundstücke und ein Sportplatzareal für die weitere Entwicklung zur Verfügung.

Projektbeschreibung

Ladevorrichtung auf dem Gelände der ehemaligen WinkelhausenkaserneQuelle: FORUM Bremen

Zur Entwicklung der aufgelassenen Kasernenstandorte wurde ab Ende 2007 auf der Grundlage eines Stadtratsbeschlusses ein umfangreicher Planungs- und Beteiligungsprozess mit Bürgern und Fachakteuren eingeleitet. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde dabei von einem Projektausschuss „Konversion“ – ein Unterausschuss des Osnabrücker Stadtrates - beschlossen und begleitet. Vielfältige Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit kamen zum Einsatz: Auf gesamtstädtischer Ebene wurde ein „Perspektivplan Konversion“ erarbeitet. Die intensive Beteiligung wurde bei allen teilräumlichen Konkretisierungen der Konzeptionen (z.B. Erarbeitung von Perspektivplänen für einzelne Kasernenareale, städtebauliche Wettbewerbe etc.) fortgesetzt. Eine informative Website begleitet das Vorhaben seit 2007 und bietet auch Online-Beteiligung an. Weiterhin wurden öffentliche Begehungen der Kasernenareale und Aktionstage eingesetzt, um auch die breite Öffentlichkeit zu erreichen und die vormals unzugänglichen Flächen und Gebäude erlebbar zu machen. Temporäre Nutzungen von Gebäuden und Flächen für Events, Kultur- oder Sporteinrichtungen lenken weiterhin die Aufmerksamkeit auf die ehemaligen Militärareale. Der zwei Jahre nach dem Start eingeführte Begriff „KonVisionen“ nimmt die Osnabrücker Bürgerschaft mit, die Veränderungen durch den Abzug der britischen Streitkräfte nicht als Rückschritt sondern als Chance für die Stadtentwicklung zu begreifen.

Der „Perspektivplan Konversion“ formuliert für jeden Standort mögliche Nutzungseignungen abhängig von Lage, vorherrschendem Bautypus und natürlichen Umgebungsbedingungen. Über städtebauliche Wettbewerbe oder Rahmenplanungen werden diese Perspektiven bis zu konkreten Entwürfen vertieft.

Die Vielzahl und die Größe der Flächen können – auch vor dem Hintergrund leicht rückläufiger Entwicklungstendenzen – nicht binnen kurzer Zeit vermarktet werden, der gesamte Konversionsprozess wird voraussichtlich viele Jahre dauern. Um die Flächen dennoch zu beleben, setzten Stadt und BImA auch auf Zwischennutzungen, die an einigen Standorten bereits etabliert sind und an anderen Standorten noch kommen sollen. Dabei wird besonders darauf geachtet, dass die Arten der Zwischennutzungen an den einzelnen Standorten den im Perspektivplan erarbeiteten dauerhaften Nachnutzungsvorstellungen ähnlich sind oder diese befördern. Beispielhaft kann dies an den folgenden drei Standorten aufgezeigt werden:

Das 14,2 Hektar große Gelände der 2008 aufgegebenen Scharnhorstkaserne ist die größte von insgesamt drei Kasernenanlagen im Stadtteil Westerberg. Wegen seiner räumlichen Nähe zu Hochschuleinrichtungen wurde für diesen Standort u. a. die Umnutzung als Wissenschafts- und Wohnpark projektiert. Dafür wurde zwischenzeitlich ein großer Teil der Kasernengebäude abgerissen, um u. a. Platz für ein Technologie- und Gründerzentrum, das InnovationsCentrum Osnabrück (ICO), zu schaffen. Teilbereiche werden ausschließlich dem Wohnen vorbehalten, innovative und moderne Wohnformen sollen hier entwickelt und ergänzt werden, die auch Beschäftigte im Wissenschaftspark ansprechen. Bereits Ende 2008 hat sich ein Existenzgründer mit seiner Firma für Faserverbundtechnik und Leichtbau in einer ehemaligen Panzerhalle niedergelassen. Diese erste Zwischennutzung auf dem Gelände passt nicht nur konzeptionell ideal zum geplanten Wissenschaftspark sondern hat auch dazu geführt, dass ein Existenzgründerzentrum in die Planungen integriert wurde. Insgesamt sind derzeit 16 Büroräume an Existenzgründer vermietet.

Das Gelände der 31 Hektar großen ehemaligen Winkelhausenkaserne liegt unmittelbar am Osnabrücker Hafen und verfügt über einen Gleisanschluss. Daher ist die Entwicklung der Fläche zu einem hochwertigen Gewerbe- und Dienstleistungsstandort vorgesehen und mittlerweile in einem rechtskräftigen Bebauungsplan fixiert. Der Erwerb des überwiegenden Teils des Geländes erfolgte Mitte 2010 durch die Stadtwerke Osnabrück AG. Die Entwicklungsdynamik wurde insbesondere durch eine Logistik-Firma angetrieben, die frühzeitig das infrastrukturelle Potenzial der ehemaligen Winkelhausenkaserne erkannte und derzeit einen Teil des Geländes mit einer Anlage zum kombinierten Ladungsverkehr zwischennutzt. Nun soll diese Nutzung dauerhaft am Standort integriert werden. Weiterhin hat sich ein bundesweit agierendes Unternehmen, das Kaffeeautomaten vertreibt, für die Winkelhausenkaserne als Standort entschieden und plant einen Neubau für 200 Mitarbeiter. Zudem wird das Land Niedersachsen ein Dienstleistungszentrum mit Finanzamt, Polizeidirektion und Lehrerseminar einrichten.

Die am östlichen Siedlungsrand der Stadt Osnabrück gelegene ehemalige Kaserne am Limberg soll langfristig zu einem attraktiven Wohnstandort entwickelt werden. Die gute Gebäudesubstanz und die gut erhaltenen Sportanlagen sind jedoch bereits jetzt für Zwischennutzungen interessant: Der Stadtsportbund, Polizei und Feuerwehr sowie die Malteser Rettungshundestaffel und eine Hundeschule nutzen das Gelände bereits intensiv zu Trainingszwecken, als Garagen und Logistikhallen oder Werkstätten. Weiterhin hat die Stadt ein Gebäude als Außenstelle der Berufsbildenden Schule angemietet. Über diese ersten zivilen Nutzungen gelingt eine schrittweise Öffnung des Geländes und die Bekanntheit des Standortes unter den Osnabrücker Bürgern wächst.

Aufgelassene Einrichtungen für Militärahrzeuge auf dem Areal der ehemaligen ScharnhorstkaserneQuelle: FORUM Bremen

Die Potentialnutzung gelang zwischenzeitlich sehr vorbildlich bei der Wiedernutzung von 720 Offizierswohnungen. Im Rahmen einer engen Kooperation von Stadt und BImA konnten diese hauptsächlich als kleine Paketverkäufe an Investoren oder zur Eigentumsbildung von jungen Familien veräußert werden. Unterschiedliche Veräußerungsverfahren sorgten für ein nachhaltige Mischung: Während ein Teil der Wohnungen in einem reinen Angebotsverfahren an den Markt gebracht wurde, ist auch ein Teil der Bestände über ein Festpreisverfahren veräußert worden, bei dem vorab festgelegte soziale Kriterien über den Zuschlag entschieden.

Projektchronologie

JahrEreignis
2006Bekanntgabe des Abzugs der britischen Streitkräfte
2007Einsetzung eines Projektausschusses Konversion
2007Beschluss eines Konzeptes der Öffentlichkeitsbeteiligung
2008Übergabe der Kasernen an der Landwehrstraße, der Scharnhorstkaserne und Winkelhausenkaserne an die BImA
2008Erarbeitung des „Perspektivplans Konversion“ unter Beteiligung der Öffentlichkeit
2009Aufnahme der Konversionsstandorte Hafen und Westerberg in das Bund-Länder-Programm Stadtumbau West
2009Übergabe der Von-Stein-Kaserne und der Kaserne am Limberg an die BImA, Weitergabe der Von-Stein-Kaserne an das Land Niedersachsen
2009Städtebaulicher Realisierungswettbewerb Winkelhausenkaserne
2009Start des Verkaufs von 720 ehemaligen Offizierswohnungen außerhalb der Kasernenareale
2010Kooperatives städtebaulich-freiraumplanerisches Gutachterverfahren „Wissenschafts- und Wohnpark“ Scharnhorstkaserne
2011Abbruch von Gebäuden der ehemaligen Scharnhorstkaserne in vier Phasen
2011Abschluss des Verkaufs der ehemaligen Offizierswohnungen durch die BImA

Ziele

  • Städtebauliche Integration großer ehemaliger vom Militär genutzter Areale
  • Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Osnabrück
  • Stärkung des Wohnstandortes Osnabrück

Maßnahmen

Modernisierte Gebäude auf dem Areal der ehemaligen Von-Stein-KaserneQuelle: FORUM Bremen

  • Städtebauliche Wettbewerbsverfahren
  • Erwerb von Konversionsflächen
  • Rückbau von Gebäuden
  • Veränderung der verkehrlichen Erschließung
  • Aufwertung des öffentlichen Raums
  • Veräußerung ehemaliger Offizierswohnungen
  • Altlastensanierung

Innovationen

Wissenschaftliche Einrichtungen auf dem Areal der ehemaligen Von-Stein-KaserneQuelle: FORUM Bremen

Die planerische Herangehensweise und die frühzeitige Einbindung der Öffentlichkeit in den Prozess der Konversion von 160 Hektar ehemals militärischer Gelände ist beispielhaft. Schon bei der Erarbeitung des „Perspektivplans Konversion“ erfolgte ein intensive Beteiligung der Stadtbevölkerung, die sich in allen weiteren Verfahrensschritten fortsetzte. Auch das Angebot von Zwischennutzungen von Gebäuden und Flächen in den Kasernen für Initiativen und Vereine hat die Identifikation der Bevölkerung mit der Konversionsaufgabe gestärkt.

Der noch laufende „KonVisionen“-Prozess in Osnabrück zeigt bereits, dass es auch unter mäßigen Rahmenbedingungen möglich ist, zahlreiche Brachflächen und leerstehende Gebäude wiederzubeleben, in bestehende funktionale und städtebauliche Strukturen zu integrieren und damit neue Entwicklungsimpulse auszulösen. Wichtig ist dabei die öffentliche Vermittlung der großen gesamtstädtischen Herausforderung als Potenzial statt als Niedergang.

Quellen

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Osnabrück - KonVisionen

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 49090 - Ort: Osnabrück - Straße: Elbestraße 53.

Letzte Änderung: 13.03.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Stadt Osnabrück, Fachbereich Städtebau, Thomas Rolf, Hasemauer 1, 49074 Osnabrück, Tel.: 0541 323-2453, Fax: 0541 323-152453, Email: rolf.th@osnabrueck.de

Datensatz eingestellt am 23.02.2012 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

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