Markt Schierling "Ortszentrum"
(Bayern)
Multifunktionaler Ortskern
Die Gemeinde Markt Schierling erweitert in der dörflich geprägten Ortsmitte ihre Zentrumsfunktionen. Dafür nutzt sie vor allem brachgefallene Grundstücke. Auf diesen Flächen sind Wohnungen, öffentliche und medizinische Einrichtungen sowie ein Lebensmittelmarkt entstanden. Damit gibt es nach langer Zeit im Ort überhaupt wieder Versorgungsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf.
Kontext
Quelle: Plan und Praxis GbR 2017, Kartengrundlage: OpenStreetMap
Die Gemeinde Markt Schierling (ca. 7.500 Einwohner, Stand 2014) ist mittlerweile ein regional bedeutender Gewerbestandort und beliebter Wohnort südlich von Regensburg. Die Gemeinde besteht aus 26 Ortsteilen und verfügt über ein Grundzentrum. Das Gemeindezentrum entlang der Hauptstraße ist durch eine heterogene, überwiegend kleinteilige Baustruktur unterschiedlicher Entstehungszeiten charakterisiert.
Seit Mitte der 1990er Jahre verzeichnet Schierling eine prosperierende Entwicklung mit Bevölkerungszuwachs. Der ursprünglich dörfliche Ortskern entwickelt sich nach und nach zu einem eher kleinstädtisch geprägten Versorgungszentrum. Veränderungen im Handel und Gewerbe sowie die Konkurrenz durch nahegelegene Versorgungsstandorte führten dennoch zu Funktionsverlusten.
Bis zur Fertigstellung einer Umgehungsstraße im Jahr 2011 hatte starker Durchgangsverkehr die Zentrumsentwicklung in Schierling belastet. Die Ortsmitte war lange Zeit durch Mängel in der Aufenthaltsqualität gekennzeichnet. Hinzu kamen Defizite an öffentlichen Einrichtungen, Begegnungs- und Kommunikationsorten und bis 2015 gab es keine nennenswerten Nahversorgungsangebote.
Projektbeschreibung
Quelle: Plan und Praxis GbR 2014
Seit Ende der 1990er Jahre betreibt der Markt Schierling eine umfassende Gemeindeerneuerung. Das übergeordnete Ziel besteht darin, Funktionsfähigkeit und Identifikationskraft des Zentrums als Ort für Versorgung und Begegnung wiederzugewinnen. Zu diesem Zweck sollen im Ortskern vielfältige Nutzungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge realisiert werden. Für diesen Erneuerungsansatz stellt das gesamtörtliche, integrierte Gemeindeentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept die maßgebliche Planungsgrundlage dar.
Die zentralen Punkte der Gemeindeerneuerung sind die Stärkung der Nutzungsvielfalt und die baulich-gestalterischen Weiterentwicklung in der Ortsmitte. In diesem Sinne entstehen auf brachgefallenen Gewerbeflächen Gebäude für Wohnen und Nahversorgung sowie für soziale und kulturelle Einrichtungen. So wurde am Rathausplatz ein multifunktionales Geschäfts- und Bürgerhaus errichtet. Im Erdgeschoss entstanden ein Lebensmittelmarkt und ein Café, in den Obergeschossen ein medizinisches Versorgungszentrum sowie die Gemeindebücherei, ein Familienstützpunkt und die Polizeiwache. Die Ansiedlung eines Nahversorgers ist das Schlüsselprojekt der Ortskernentwicklung. Dieses Geschäft erzeugt höhere Besuchsfrequenzen und leistet so wichtige Beiträge zur Belebung des Ortskerns. Vor allem schließt es aber eine Versorgungslücke, die seit der Aufgabe des einzigen Lebensmittelmarktes am Ort bestand. Des Weiteren sind barrierefreie Wohnungen für betreutes Wohnen, Heimplätze für dauerhafte und Tagespflege, ein Sanitätsfachgeschäft und diverse Arztpraxen entstanden.
Ziele und Maßnahmenschwerpunkte der Gemeindeerneuerung basieren auf einer intensiven und kontinuierlichen Bürgerbeteiligung. Ausgangspunkt war ein Architekturwettbewerb zur Gestaltung und Nutzungsanreicherung im „neuen Ortskern“. Es folgten diverse Zukunfts- und Ideenwerkstätten. In einer Lenkungsrunde arbeiten Politik, Verwaltung lokale Wirtschaft und Bevölkerung zusammen und gestalten den Erneuerungsprozess seit 1999 gemeinsam.
Die Marktgemeinde betreibt eine aktive Flächenpolitik, indem sie wichtige Grundstücke für die Zentrumserneuerung durch ein Kommunalunternehmen erwirbt. Damit verfügt Schierling über ein wirkungsvolles Steuerungsinstrument für die Gemeindeentwicklung. Zudem setzt die Gemeinde Instrumente des Städtebaurechts konsequent ein. So hat sie zur Absicherung der Lebensmittelmarktansiedlung im Jahr 2012 eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB erlassen. Diese unterband Handelsnutzungen am Ortsrand, wodurch das Ortszentrum als Geschäftsort für Nahversorgungsbetriebe wirtschaftlich unattraktiv geworden wäre. Weiterhin hat die Gemeinde mittels städtebaulichen Vertrags gemäß § 11 BauGB Einfluss auf Nutzungen und Gestaltung des multifunktionalen Neubaukomplexes mit dem Lebensmittelmarkt genommen.
Finanzielle Unterstützung für die Ortskernerneuerung erhält Schierling im Rahmen der Städtebauförderung, aus folgenden Programmen:
- Dorferneuerung Bayern (1994 – 2010)
- Bund-Länder-Programm „Städtebauliche Sanierungsmaßnahme“ (2003 – 2007)
- Bund-Länder-Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ (seit 2008)
Projektchronologie
Jahr | Ereignis |
---|---|
1999/2000 | Gemeindeentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept |
2001 | Architekturwettbewerb |
2009 | Gründung des Kommunalunternehmens |
2011 | Fertigstellung der Umgehungsstraße |
2010-2013 | Fortschreibung Gemeindeentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept |
2016 | Eröffnung eines multifunktionalen Geschäfts- und Bürgerhauses |
Ziele
Quelle: Plan und Praxis GbR 2014
- Funktionsergänzung und Stabilisierung des Ortszentrums
- Erhöhung der Nutzerfrequenz
- Stärkung der Identifikationskraft des Zentrums
- Förderung des überörtlichen Freizeit- und Tourismusangebots
Maßnahmen
Quelle: Plan und Praxis GbR 2014
- Neubau eines Geschäfts- und Bürgerhauses
- Ansiedlung eines Nahversorgungsgeschäfts
- Umbau eines Schulgebäudes zu kulturellem Treffpunkt und Veranstaltungsort
- Neubau von Wohnungen und medizinischen Einrichtungen
- Aufwertung des öffentlichen Raums
Innovationen
Quelle: Plan und Praxis GbR 2014
Eine wesentliche Grundlage für den Erfolg der Gemeindeentwicklung besteht in der kontinuierlichen und effektiven Bürgermitwirkung am Erneuerungsprozess. In diversen Verfahren und Veranstaltungen konnte die Gemeindebevölkerung substanziell Einfluss auf Ziele und Schwerpunkte der Zentrumserneuerung nehmen. So entstand unter Akteuren und Betroffenen ein vertieftes und tragfähiges Verständnis über die wesentlichen Entwicklungslinien des Erneuerungsprozesses.
Weitere Erfolgsfaktoren für die zügige und konsequente Projektrealisierung sind in der strategischen Grundstücksbeschaffung durch die Gemeinde und in der operativen Unterstützung durch das Kommunalunternehmen zu sehen. Nicht zuletzt bewährt sich der konsequente Einsatz städtebaurechtlicher Ordnungsinstrumente im Zusammenspiel mit einer auskömmlichen Städtebauförderung.
Quellen
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hrsg.): Nutzungsmischung und die Bewältigung von Nutzungskonflikten in Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren – Chancen und Hemmnisse. Ein Projekt der Allgemeinen Ressortforschung. BBSR-Online-Publikation 23/2017, Bonn 2017: Nutzungsmischung und die Bewältigung von Nutzungskonflikten in Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren
Weiterführendes
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Internetseite zum Städtebauförderprogramm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Praxisbeispiel Schierling-Ortskern: Aktive Stadt- und Ortsteilzentren "Schierling - Ortskern"
Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 84069 - Ort: Markt Schierling - Straße: Rathausplatz.
Projektstandort auf Google-Maps: Schierling "Ortszentrum"
Letzte Änderung: 25.04.2018