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Kusel „Westpfälzische Tuchfabrik“

(Rheinland-Pfalz)

Wiedernutzung eines stadthistorisch wertvollen Fabrikensembles

Nachdem die ehemalige Westfälische Tuchfabrik 1988 nach einer kurzfristigen Zwischennutzung durch die Bundeswehr freigezogen wurde, stand der Abriss zur Diskussion. Doch die Stadt kaufte die Fabrik und entwickelte in eigener Regie einen attraktiven Unternehmensstandort für zukunftsfähige Betriebe. Heute zeichnet sich die ehemalige Fabrik durch eine Mischung von gewerblichen und öffentlichen Nutzungen aus. Sie stellt für die Stadt wieder einen Identifikations- und Bezugspunkt dar.

Dieses Projekt befindet sich im Archiv. Die Projektdaten werden nicht mehr aktualisiert.

Kontext

Blick in den InnenhofQuelle: FIRU mbH

Anfang der 1960er Jahre führte der wirtschaftliche Strukturwandel zur Stillegung der Westpfälzischen Tuchfabrik in Kusel, ca. 40 km nordwestlich von Kaiserslautern gelegen. Bis 1988 wurden die Gebäude von der Bundeswehr als Bekleidungsdepot genutzt und dann freigezogen. Der Eigentümer stellte 1988 einen Abrissantrag.

Das Gesamtareal umfasst ca. 3 Hektar. Auf das eigentliche Revitalisierungsgebiet entfallen ca. 8.000 m².

Die Flächen und Gebäude stellten auf Grund ihrer Lage am Rande der Innenstadt ein wertvolles Potenzial für die Stadtentwicklung dar. Daher entschloss sich die Stadt 1990 das Gelände mit der denkmalwerten Fabrik aufzukaufen und einer neuen Entwicklung zuzuführen.

Das Projekt ist von 1990 bis 1993 als Modellvorhaben im Forschungsfeld „Städtebau und Wirtschaft“ im Bundesforschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) gefördert und ausgewertet worden.

Projektbeschreibung

Blick in den InnenhofQuelle: FIRU mbH

Das Gebäude der ehemaligen Tuchfabrik in Kusel (rund 6.000 Einwohner), wurde einer gemischten Nutzung aus Gewerbe, Dienstleistungen, öffentlichen Nutzungen und Wohnen zugeführt. Eine städtebauliche Aufwertung entstand durch Entkernung der Blockinnenbereiche, Abbruch von nicht nutzbaren Nebengebäuden, Begrünung der Freiflächen und Wegeverbindungen über das ehemalige Fabrikgelände. Bei den Entkernungsmaßnahmen kamen ABM-Kräfte zum Einsatz. Zwei gering qualifizierte Mitarbeiter wurden dauerhaft eingestellt. Außerdem entstand in Trägerschaft des Christlichen Jugenddorfes (CJD) eine Produktionsschule für arbeitslose Jugendliche. Die Jugendlichen führten Bau- und Ausbauarbeiten durch und haben so zur Baukostendenkung beigetragen.

Einen besonderen Stellenwert hatte die städtebauliche Einbindung des Gebäudekomplexes durch die Öffnung in Richtung Innenstadt und zu einem benachbarten Park.

In die stillgelegte Heizzentrale wurde ein Blockheizkraftwerk errichtet, das nun die Wärmeversorgung der Gebäude übernimmt. Der miterzeugte Strom sollte verkauft und die Erlöse daraus zur Finanzierung von Krediten für Umbaumaßnahmen eingesetzt werden. Der Wärmebedarf der sanierten Gebäude war jedoch geringer als ursprünglich angenommen und somit auch die erzeugte Menge an Strom. Die Erlöse aus einem Verkauf des Stroms leisten dementsprechend einen kleinen Beitrag zur Finanzierung des Projektes.

Der Projektfortschritt erfolgte in Abhängigkeit von den finanziellen Möglichkeiten und der Akquisition neuer Mieter. Heute ist die ehemalige Tuchfabrik im Wesentlichen belegt. Die Flächen in den Gebäuden sind zu ca. 90-95% vermietet. Es handelt sich dabei hauptsächlich um öffentliche und private Dienstleistungen (z.B. Arbeitsamt, Sparkasse, Studienseminar, Bücherei, Rechtsanwalt, Versicherung, Elektronikfirma). Es sind ca. 200 Arbeitsplätze geschaffen worden. In dem noch zu sanierenden Gebäude an der Trierer Straße werden zwei Wohneinheiten errichtet.

Das Gelände hat sich zu einem attraktiven Unternehmensstandort mit zukunftsfähigen Betrieben entwickelt. Durch die Mischung von gewerblichen und öffentlichen Nutzungen ist die ehemalige Fabrik wieder Identifikations- und Bezugspunkt in der Stadt. Heute sind nahezu alle Maßnahmen verwirklicht und mit einer endgültigen Fertigstellung ist Ende 2005 zu rechnen.

Projektchronologie

JahrEreignis
1960erStilllegung der Tuchfabrik, Vermietung an Bundeswehr
1988Aufgabe der Nutzung als Kleiderdepot durch die Bundeswehr
1988Bauvoranfrage zum Abriss der Tuchfabrik
1988Veränderungssperre, Aufstellungsbeschluss für Bebauungsplan
1990-93Teilnahme am ExWoSt-Forschungsfeld "Städtebau und Wirtschaft"
1990Ankauf der Fabrikgebäude durch die Stadt; Entwicklung des Bau- und Nutzungskonzeptes; Beginn der Umbaumaßnahmen
1991Einzug des ersten Mieters
1992Installierung des Blockheizkraftwerkes
ab 1992weitere Ansiedlungen
2003Gebäude vollständig genutzt
bis Ende 2005Fertigstellung der gesamten Maßnahme

Ziele

Blick in den InnenhofQuelle: FIRU mbH

  • Reaktivierung einer innerstädtischen Brachfläche für gewerbliche Zwecke
  • Wiedernutzung des denkmalgeschützten Gebäudebestands
  • Wirtschaftliche Impulse für die Entwicklung der Innenstadt
  • Städtebauliche Aufwertung und Integration des Fabrikensembles in die Umgebung

Maßnahmen

TreppenturmQuelle: FIRU mbH

  • Veränderungssperre
  • Bebauungsplan
  • Baugenehmigung nach § 34 BauGB
  • Modernisierung und Umbau unter Beachtung des Denkmalschutzes
  • Begrünung der Freiflächen
  • Wegeverbindungen
  • Blockheizkraftwerk

Innovationen

Blick auf die BüchereiQuelle: FIRU mbH

Mit der Wiedernutzung der Westpfälzischen Tuchfabrik in Kusel konnte ein stadthistorisch wertvolles Gebäudeensemble mit großer Ausstrahlung erhalten und als ein attraktiver Unternehmensstandort mit zukunftsfähigen Betrieben entwickelt werden. Durch die Kombination von gewerblichen und öffentlichen Nutzungen ist die ehemalige Fabrik heute wieder Identifikations- und Bezugspunkt in der Stadt.

Hervorzuheben ist die projektbezogene Verbindung von Städtebau- und Strukturpolitik mit Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Durch die Einbindung der ABM-Kräfte und CJD-Berufshilfegruppen in die Erneuerung der Tuchfabrik haben sich deren Chancen auf einen Arbeits- und Ausbildungsplatz deutlich verbessert.

Des weiteren spielten ökologische Aspekte – z. B. Dachbegrünung unter Verwendung von Ziegelschutt, Hanfputz, Regenwasserversickerung im Mühlengraben – eine wichtige Rolle.

Eine energetische Innovation war die Wiedernutzung der alten Heizzentrale, der damit verbundene Aufbau eines nachbarschaftsbezogenen Wärmeversorgungsnetzes und die Nutzung dieser Einrichtung zu Finanzierungszwecken.

Quellen

  • BBR (Auftraggeber), FIRU GmbH (Auftragnehmer): Querauswertung von ExWoSt-Modellvorhaben zum Flächenrecycling, 2004 (unveröffentlichter Bericht)
  • IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH: Experimenteller Wohnungs- und Städtebau, Forschungsfeld Städtebau und Wirtschaft, Themenfeld 1 Brachflächenrecycling und Gebäudewiedernutzung für gewerbliche Zwecke, Endbericht, Berlin, Dezember 1992
  • Kahnert, R.; Rudowsky, K. Nachhaltige Entwicklung im Handlungsfeld "Bauen und Wohnen", Wiedernutzung von Brachflächen. Eine Dokumentation von Fallbeispielen, Nr. 144, Stuttgart 1999
  • BMVBW: www. werkstatt-stadt .de, Innovative Beispiele aus dem Experimentellen Wohnungs- und Städtebau, Berlin 2000

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Kusel "Westpfälzische Tuchfabrik"

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 66869 - Ort: Kusel - Straße: Fritz-Wunderlich-Straße 47.

Letzte Änderung: 18.09.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Projektträger: Stadt Kusel, Bürgermeister, Jochen Hartloff, Marktplatz 1, 66869 Kusel, Tel.: 0 63 81 / 9 18 - 2 41
  • Begleitforschung: BGS Büro für Gewerbeplanung und Stadtentwicklung, Dr. Rainer Kahnert, Ostenhellweg 62, 44135 Dortmund, Tel.: 02 31 / 52 48 41, Fax: 02 31 / 25 60 59, E-Mail: bgs.kahnert@t-online.de
  • Für den Themenschwerpunkt Brachflächenrecycling: Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH – IfS, Lützowstraße 93, 10785 Berlin, Tel.: 0 30 / 25 00 07 33, Fax: 0 30 / 2 62 90 02, E-Mail: ifs-berlin@t-online.de

Datensatz eingestellt am 10.01.2005 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

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