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Hannover-List „Pelikan-Viertel“

(Niedersachsen)

Revitalisierung einer innerstädtischen Industriebrache

Ende der 1980er Jahre wurde der Produktionsstandort des Schreibwarenartikelherstellers Pelikan im Stadtteil List in Randlage zur Innenstadt von Hannover aufgegeben. Damit stand eine ca. 10 ha große Industriebrache zur Verfügung, die der Stadt neue Möglichkeiten der Innenentwicklung eröffnete.

Kontext

Umnutzung vorhandener BausubstanzQuelle: Manfred Fuhrich, BBSR im BBR

In Hannover gibt es durch die industrielle Tradition der Stadt viele Industriebrachen, die als Chance der Stadtentwicklung genutzt werden. Die Areale liegen meist, wie auch das Pelikan-Viertel, in gewachsenen Stadtbereichen, in denen eine nötige Infrastruktur zur Nachnutzung bereits besteht. Neben der guten Verkehrsanbindung sind diese Flächen oft an größere Grün- und Freiflächen in der Nähe angebunden.

Die bestehenden Revitalisierungsflächen in der Stadt Hannover wurden durch das Amt für Wirtschaftsförderung katalogisiert. Somit war das Projekt Pelikan-Viertel in eine gesamtstädtische Entwicklungsstrategie eingebunden.

Das Pelikan-Viertel befindet sich im Nordosten der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover (521.000 EW) auf dem ehemaligen Werksgelände des Schreibwarenartikelherstellers Pelikan AG. Ende des 19. Jahrhunderts waren entlang der Pobielskistraße, eine Reihe von Produktionsbetrieben mit zugehörigen Wohnbauten entstanden.

Nachdem 1989 der Produktionsstandort aufgegeben wurde, stand im Stadtteil „List“ - der durch zahlreiche Gebäude aus der Gründerzeit geprägt ist - in Randlage zur Innenstadt ein ca. 10 ha großes Gelände zur Verfügung. Denkmalgeschützte Altbauten und moderne Produktionshallen auf dem Gelände boten großzügige Flächen für eine neue Nutzung. Die Umnutzung der Industriebrache eröffnete Hannover neue Möglichkeiten zur Innenentwicklung. Die List ist einer der beliebtesten Stadtteile Hannovers. Die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr ist nur 2 Gehminuten entfernt und bindet den Standort an Hauptbahnhof und Innenstadt in 10 Minuten Fahrzeit an. Ebenfalls fußläufig erreichbar sind Mittellandkanal und Eilenriede, Europas größter Stadtwald und beliebtes Naherholungsgebiet.

Das Projekt ist im Zeitraum von 1996 bis 1999 als Modellvorhaben im Forschungsfeld „Nutzungsmischung im Städtebau“ im Bundesforschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) gefördert und ausgewertet worden.

Projektbeschreibung

Arabella Sheraton Pelikan HotelQuelle: FIRU mbH

Zu Beginn der Revitalisierung des Pelikan-Viertels stellte die Beseitigung von Altlasten einen wesentlichen Aspekt dar. Mit Hilfe eines frühzeitig erarbeiteten Gutachtens wurden Art und Umfang der Vorbelastung sowie die Sanierungskosten ermittelt.

Gleichzeitig wurde eine Marktanalyse zur Ermittlung wirtschaftlich tragfähiger Nutzungen des Projektes erstellt. Darauf aufbauend wurden zwischen 1992 und 1993 mehrere Masterpläne und ein Konzept mit den Nutzungsbereichen Arbeiten, Wohnen und Freizeit erarbeitet.

Ein ca. 4 ha großer Bereich umfasst die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, die nun überwiegend von gewerblichen Einrichtungen genutzt werden. Auf dem anderen, ca. 6 ha großen Areal wurden die alten Produktionsanlagen abgerissen und neue Gebäude für Wohnen und Dienstleistung realisiert. Zur Verzahnung mit der umgebenden Bebauung und als Kontrast zum Altbestand erfolgte die Neubebauung in Blockstrukturen entlang einer neuen diagonal angelegten Haupterschließungsstraße, der Günther-Wagner-Allee.

Die 162 neu entstandenen Wohneinheiten sind sehr gut an das städtische und regionale Straßen- und Verkehrsnetz angebunden. Es besteht eine gute Wohnqualität u.a. durch die konzeptionelle Ausrichtung der neuen Wohnungen auf den westlichen anschließenden Grünbereich am Tintengraben und auf den Marktplatz innerhalb des Gebietes sowie aufgrund der Nähe zum südlich der Pobielskistraße gelegenen Stadtwald Eilenriede. Im Pelikan-Viertel sind rund 2.000 Arbeitsplätze entstanden. Zu den großen Arbeitgebern zählen Versicherungen, Finanzdienstleister sowie die Gesundheitsbranche.

Ein Schlüsselprojekt war die frühzeitige Integration eines Vier-Sterne-Hotels (Arabella Sheraton Pelikan Hotel) im denkmalgeschützten Altbaubestand. Durch das gute Image und den günstigen Standort des Pelikan-Viertels erfreut sich das Hotel trotz starker Konkurrenz in der Messestadt einer großen Bekanntheit über die Stadt und Region hinaus.

Die um genutzten denkmalgeschützten Gebäude gelten heute als ein bedeutendes Zeugnis für den Industriebau um die Jahrhundertwende und prägen das positive Image des Pelikan-Viertels.

Seit 2008 wird der abschließende Abschnitt des Pelikan-Viertels konkretisiert. Auf Basis der Ergebnisse eines zweistufigen internationalen Architektenwettbewerbs wird das regionale Wohnungsunternehmen Gundlach auf den verbliebenen Baufeldern ab 2011 ein qualitätvolles Wohnquartier entwickeln.

Dabei liegt eine wesentliche Herausforderung in der angemessenen Fortführung des städtebaulichen Konzepts des Pelikanviertels sowie der Schaffung einer eigenständigen Identität als Wohnquartier im Viertel in direkter Nachbarschaft zu denkmalgeschützten Gebäuden und Bauvorhaben neuerer Zeit. Insbesondere soll auch im Wohnquartier das Grundanliegen der Nutzungsvielfalt fortgeführt werden. Die Planung sieht nicht nur Wohnungen vor, sondern auch eine Kindertagesstätte sowie in den Erdgeschosszonen der Hauptstraßen Handel, Gewerbe und Gastronomie.

Das geplante Wohnungsangebot setzt ebenfalls auf Diversität. Im Rahmen einer zukunftsfähigen Grundstruktur sollen vielfältige Wohnungstypen mit Miet- und Eigentumswohnungen für den mittleren bis gehobenen Anspruch entstehen. Diese differenzieren sich z. B. durch Wohnungsgröße, Wohnungslage und Ausstattungsqualitäten. Die Wohnungsgrößen reichen von 1-Zimmerwohnungen mit 40 m² bis zu 7-Zimmerwohnungen mit über 200 m².

Nicht zuletzt verbinden sich mit dem Projekt hohe Erwartungen im Hinblick auf nachhaltiges Bauen. Dazu tragen beispielsweise der Einsatz von Erdwärme und Hybridkollektoren auf dem Dach, Grauwassernutzung, Holzfenster und die nachhaltige Ziegelfassade bei. Auch der Nachweis von ausreichend komfortablen Stellplätzen für Fahrräder schlägt positiv zu Buche. Zu den soziokulturellen und benutzerfreundlichen Aspekten zählen die parkähnliche Gestaltung des Innenhofbereichs und das Quartierkonzept mit Kindergarten und Läden, das maßgeblich zur Belebung des Standorts beiträgt. Ein Wohngebäude durchläuft die baubegleitende Prüfung einer Zertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Dieses Projekt hat das DGNB-Vorzertifikat mit Gold-Standard erhalten.

Projektchronologie

JahrEreignis
1989
Aufgabe die Produktionsstandortes
1991
Verkauf der Fläche
1992
Marktstudie
1992-1993
Masterplanung
1992
Einleitung des Bauleitplanverfahrens
ab 1994
Modernisierung denkmalgeschützter Gebäude
1995
erste Baugenehmigungen nach § 34 BauGB; erste Neubaumaßnahmen
1996
Erschließungsvertrag zwischen Stadt und Eigentümer
1996-1999
Teilnahme am ExWoSt-Forschungsfeld "Nutzungsmischung im Städtebau"
1997-1999
Fertigstellung und Bezug erster Büro- und Wohnneubauten
nach 2000
Fortsetzung und Abschluss der Baumaßnahmen im ersten Abschnitt
2008-2009 Zweistufiger internationaler Architektenwettbewerbs für zweiten Abschnitt
2010
Gold-Vorzertifizierung für ein Wohnprojekt durch die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB)
2011 Baubeginn im Wohnquartier

Ziele

Tintengraben - Wohnen im Pelikan-ViertelQuelle: Manfred Fuhrich, BBSR im BBR

  • Reaktivierung einer innerstädtischen Brachfläche
  • Entwicklung eines städtebaulich-architektonisch hochwertigen, vielfältigen Stadtviertels
  • Verwirklichung einer Nutzungsmischung
  • Einbeziehung denkmalgeschützter Gewerbebauten
  • Erhaltung und Verbesserung des Wohnstandortes
  • Erfüllung hoher Nachhaltigkeits-Standards im Wohnungsbau
  • Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen
  • Verbesserung der Freiflächenversorgung

Maßnahmen

Einzelhandelskuben am MarktplatzQuelle: Manfred Fuhrich, BBSR im BBR

  • Masterplan
  • Bebauungsplan
  • Erschließungsvertrag
  • Vermarktungskonzept
  • Public Private Partnership
  • Instandsetzung und Modernisierung von Industriedenkmalen
  • Neubau von Wohn- und Gewerberaum
  • Internationaler Architektenwettbewerb

Innovationen

MarktplatzQuelle: Manfred Fuhrich, BBSR im BBR

Das Projekt Pelikan-Viertel ist ein Beispiel für die erfolgreiche Revitalisierung einer innerstädtischen Industriebrache.

Frühzeitige Marktanalysen führten zur kontinuierlichen Entwicklung eines Mischnutzungskonzeptes (Leitbild „lebendige Vielfalt“) unter Einbeziehung der qualitativ herausragenden, denkmalgeschützten Bausubstanz, im zweiten Entwicklungsabschnitt zu einem hochwertigen Wohnungsbaukonzept, das im Wohnungsbau hohe Nachhaltigkeitsstandards erfüllt.

Private Investoren nahmen vor allem zum Zweck der finanziellen Entlastung der kommunalen Haushalte eine entscheidende Rolle für die Brachflächenentwicklung ein. Die privatwirtschaftlich geführte Projektentwicklung war eine Voraussetzung zur Realisierung des Pelikan Viertels.

Schließlich wurde mit einer schlüssigen Marketingstrategie das Image des Geländes von einer Industriestätte hin zu einem attraktiven innerstädtischen Wohn- und Büro- und Freizeitstandort verändert.

In Anbetracht weiterer innerstädtischer Brachflächen, wird von Seiten der Stadt auch zukünftig auf die konsequente Innenentwicklung gesetzt.

Die Revitalisierung von Brachflächen im Stadtgebiet als verwaltungsintern abgestimmte Strategie hat sich über einen längeren Zeitraum bewährt und nachweislich das „Bauen auf der grünen Wiese“ verhindern können.

Quellen

  • BBR (Auftraggeber), FIRU GmbH (Auftragnehmer): Querauswertung von ExWoSt-Modellvorhaben zum Flächenrecycling, 2004 (unveröffentlichter Bericht)
  • Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung GmbH: PelikanViertel Hannover, Reaktivierung einer innerstädtischen Brachfläche, Endbericht im Entwurf, Hannover 1999
  • BBR: Werkstatt: Praxis Nr. 2/2000 "Nutzungsmischung im Städtebau"
  • BBR: ExWoSt-Informationen zum Forschungsfeld "Nutzungsmischung im Städtebau": 19.2, 19.4, 19.5, 19.6
  • Landeshauptstadt Hannover, Informationsbroschüre: „In Hannover wohnen“, Stand August 2003
  • DGNB: Gold-Vorzertifizierung Wohnungsbauprojekt auf der Expo Real 2010

Weiterführendes

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 30177 - Ort: Hannover - Straße: Günther-Wagner-Allee.

Letzte Änderung: 19.11.2010

Zusatzinformationen

Akteure

  • Landeshauptstadt Hannover, Stadtplanungsamt, Fachbereich Planen und Stadtentwicklung, Rudolf-Hillebrecht-Platz 1, 30159 Hannover, Karl Schuchert, Tel.: 0511 / 16844447, Email: karl.schuchert@hannover-stadt.de, Herr Zunft, Tel.: 0511 / 16842215, Fax: 0511 / 16842049
  • Firmengruppe Gundlach, Am Holzgraben 1, 30161 Hannover, Herr Scharnowski, Tel.: 0511 / 3109-202, Web: http://www.gundlach-bau.de, Email: scharnowski@gundlach-bau.de

Datensatz eingestellt am 24.03.2005 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

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