Navigation und Service

Duisburg-Homberg „Rheinpreußensiedlung“

(Nordrhein-Westfalen)

Soziale Bauleitung

Die Bewohnergenossenschaft Rheinpreußensiedlung hat die Wohnungsmodernisierungen in bewohnten Häusern durchgeführt. Von zentraler Bedeutung war die sogenannte „Soziale Bauleitung“. Dadurch konnten insbesondere ältere Menschen während und nach den Bauarbeiten in ihren Wohnungen bleiben.

Dieses Projekt befindet sich im Archiv. Die Projektdaten werden nicht mehr aktualisiert.

Kontext

Blick auf WohnhochhäuserQuelle: Weeber+Partner

Seit 1889 wurden in Duisburg (heute ca. 504.000 Einwohner) auf einem werkseigenen Gelände der Zeche Rheinpreußen die ersten von insgesamt 1.800 Häusern für Bergleute und deren Familien gebaut. Die Rheinpreußensiedlung gehört heute zum Stadtteil Homberg. Der Stadtteil ist geprägt durch Industriebetriebe der Kohle- und Petrochemie sowie durch Handwerksbetriebe. Die Wohngebäude der Rheinpreußensiedlung sind überwiegend Vier-Familien-Häuser. Sie haben ein Voll- und ein ausgebautes Dachgeschoss. Typisch ist ein Anbau hinter dem Haus, der früher für das WC und als Schweinestall genutzt wurde. Ein Garten vor und hinter dem Haus gehörte zu jeder Wohnung. So konnten sich die Familien selbst versorgen. Noch heute prägen die Vorgärten und Hofbereiche das Bild der Rheinpreußensiedlung.

In den 1960er Jahren begann die Flächensanierung von Bergarbeitersiedlungen im Ruhrgebiet. Viele Siedlungen wurden verkauft. Seither wurden in der Rheinpreußensiedlung rund 1.200 Wohnungen abgerissen und an deren Stelle Hochhäuser mit bis zu 20 Geschossen errichtet. Weitere 200 Wohnungen sind in privates Eigentum übergegangen.

Die Bewohner waren gegen den Abriss. Einer Bürgerinitiative ist es schließlich gelungen, 411 Wohnungen vor dem Abriss zu bewahren. 1984 wurde die Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung eG gegründet. Bundesweit war bis dato die Gründung einer "Bewohnergenossenschaft" einmalig. Seither verwalten die Bewohner ihre Wohnungen selbst. Heute sind alle Haushalte Mitglied in der Genossenschaft.

Das Projekt wurde in den Jahren von 1989 bis 1992 als Modellvorhaben im Forschungsfeld „Ältere Menschen und ihr Wohnquartier“ im Bundesforschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) gefördert und ausgewertet.

Projektbeschreibung

Kleiner eingeschossiger Laden im StadtteilQuelle: Weeber+Partner

Als die Genossenschaft 1985 die Wohnungen kaufte, waren diese in einem sehr schlechten Zustand. Die bisherige Eigentümerin – die Zeche Rheinpreußen – hatte in den vorangegangenen 20 Jahren nicht in die Häuser investiert.

Die Rheinpreußensiedlung war Sanierungsgebiet. Das Sanierungsverfahren lief von 1980 bis 2000. Die Genossenschaft wurde von der Stadt Duisburg beauftragt, die Modernisierungen entsprechend den Sanierungszielen durchzuführen. Die Genossenschaft startete ohne Kapital und musste für die Modernisierungen ein besonderes Finanzierungskonzept entwickeln. Dazu gehörten Teilmodernisierungen, die nicht mietwirksam wurden. Das heißt die Wohnungen wurden ohne Bad modernisiert. Die Bewohner kauften ihre Badeinrichtung selbst. Modernisiert wurde im bewohnten Zustand, sodass es zu keinen Mietausfällen kam. Weiter wurden Eigenleistungen in großem Umfang erbracht. Zusätzlich gab es eine sogenannte Solidar-Arbeitsleistung für alte, kranke und behinderte Menschen.

Durch diese sparsame Modernisierung konnten die Mieten niedrig gehalten werden. Jedoch konnten aufgrund der baulichen Gegebenheiten einige Probleme bzw. Hindernisse für ältere Menschen nicht bautechnisch gelöst werden. So konnten die Häuser nicht rollstuhlgerecht umgebaut werden.

Die Modernisierung der Wohnungen in bewohntem Zustand war besonders für die älteren Menschen eine große Belastung. Hier musste die Hilfe ansetzen. Um ihnen die Situation während der Modernisierungen zu erleichtern, wurde ein System verschiedener praktischer Hilfen entwickelt. Diese „Soziale Bauleitung“ wurde von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern sowie engagierten älteren Bewohnern durchgeführt. Es wurden intensive Beratungsgespräche geführt, über die anstehenden Arbeiten informiert und gemeinsam nach individuellen Lösungen gesucht. Beim Umziehen der Möbel von Zimmer zu Zimmer haben Hilfskräfte unterstützt.

Die Mitarbeiter der „Sozialen Bauleitung“ haben den Bauprozess entscheidend mitgesteuert und eng mit den Architekten zusammengearbeitet. Sie haben das Zusammenwirken von Architekten, Handwerkern und Helfern koordiniert. Zu den Aufgaben gehörte auch die Beratung über technische Hilfsmittel und Möglichkeiten der Finanzierung von Maßnahmen zur Wohnungsanpassung. So konnte insbesondere die Situation für ältere Menschen verbessert werden. Aufgrund des Finanzierungskonzepts und der intensiven Begleitung konnten alle Wohnungen modernisiert werden und die älteren Menschen in ihren Wohnungen bleiben.

Der Verein Rheinpreußenhaus e.V. hat Angebote im Bereich Kultur, Freizeit, Bildung und Sozialarbeit entwickelt und ausgebaut. Die aktive Selbst- und Nachbarschaftshilfe spielt dabei eine wesentliche Rolle. Über Drittmittel wurden Personen eingestellt, die Hilfsdienste, wie z.B. Gartenarbeiten, Schneeräumen, Putzen, Laubfegen, übernehmen können, für Menschen, die Unterstützung benötigen.

Dieser integrierte und gemeinwesenorientierte Ansatz erfordert ein Angebot an Räumlichkeiten, die für Begegnung, Austausch und Beratung zur Verfügung stehen. Durch den Umbau eines ehemaligen Milchladens konnte die Begegnungsstätte Rheinpreußenhaus e.V. geschaffen werden – eine zentrale Anlaufstelle und Treffpunkt für die Menschen der Siedlung.

Projektchronologie

JahrEreignis
1977-1980Vorbereitende Untersuchungen für die Sanierung
1980-2000Sanierungsverfahren
1981Gründung des Vereins Rheinpreußenhaus e.V.
1981Umbau eines ehemaligen Milchladens zum Gemeinschaftshaus
1985Gründung der Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung eG durch die Bewohner
1989-1992Modellvorhaben im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus, Forschungsfeld "Ältere Menschen und ihr Wohnquartier"
1987-1996Soziale Bauleitung während der Modernisierungsmaßnahmen
2001Auszeichnung im Wettbewerb " Nachhaltige Stadtentwicklungsprojekte umsetzen" in Nordrhein-Westfalen
2001-2004Die Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung eG hat mit dem Preisgeld folgende Maßnahmen umgesetzt: Sanierung Gemeinschaftshaus, Begrünung von Flachdächern, Regenwasserversickerungsmulden, Kanalisierung

Ziele

Typische zweigeschossige Gebäude der SiedlungQuelle: Weeber+Partner

  • Unterstützung selbständiger Lebensführung im Alter
  • Wohnen im vertrauten Quartier trotz Modernisierungsmaßnahmen
  • Sozial verträgliche Modernisierung
  • Sicherung niedriger Mieten
  • Ausgleich von Vorsorgungsdefiziten im sozialen und kulturellen Bereich
  • Angebot an individuellen Hilfestellungen
  • Qualifizierte Beratung und Begleitung der Selbstverwaltungsorgane und der haupt- und ehrenamtlichen Akteure

Maßnahmen

Eingangssituation der zweigeschossigen GebäudeQuelle: Weeber+Partner

  • Gebäudeinstandsetzung
  • Wohnungsanpassung und -teilmodernisierung
  • Soziale Bauleitung
  • Straßenrückbau, breite Gehwege, Verkehrsberuhigung
  • Straßenbeleuchtung
  • Umgestaltung der Hofbereiche
  • Haus-Außenleuchten
  • Gemeinschaftseinrichtungen für soziale und kulturelle Nutzungen
  • Aufbau und Vernetzung professioneller und ehrenamtlicher Betreuungs- und Hilfsangebote

Innovationen

Die Rheinpreußensiedlung zeichnet sich bis heute durch eine sehr geringe Fluktuation aus. Die sozialen Beziehungen sind stabil und es gibt keine Leerstände. Seit dem Modellvorhaben hat sich ein natürlicher Generationenwechsel vollzogen.

Das Ziel einer sozialverträglichen und bedürfnisorientierten Siedlungserneuerung konnte realisiert werden. Die Soziale Bauleitung förderte insgesamt die Akzeptanz der Maßnahmen. Die Kombination von Genossenschaft und Verein ermöglicht es, dass Wohnungsbewirtschaftung, kulturelle Aktivitäten und soziale Hilfen zu einem gemeinwesenorientierten, integrierten Ansatz verknüpft werden. Die Einbindung der sozialen Arbeit in Struktur und Arbeitsabläufe eines Wohnungsunternehmens war damals neu und zukunftsweisend und hat bis heute ihre Bedeutung behalten.

Sozialarbeiter mehrerer Wohnungsunternehmen in NRW haben einen Arbeitskreis gebildet, um ihre Arbeit zu verbessern und in den Wohnungsunternehmen zu verankern. Dieser Arbeitskreis ist weiter gewachsen. Dort findet ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch statt. Es werden Konzepte und Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert und Fortbildungen angeboten, die sich als fester Bestandteil im Fortbildungsangebot des Verbands der Wohnungswirtschaft etabliert haben.

Quellen

  • Gabriele Steffen, Dorothee Baumann, Antje Fritz: Attraktive Stadtquartiere für das Leben im Alter. In: Fraunhofer IRB Verlag, Bauforschung für die Praxis, Band 82, Stuttgart 2007
  • Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung (1993): Leben im Alter in der Rheinpreußensiedlung. Berichtszeitraum 08.12.1989 – 30.12.1992.

Weiterführendes

Projektstandort auf Google-Maps: Duisburg "Rheinpreußensiedlung"

Den Projektstandort finden Sie auch unter PLZ: 47198 - Ort: Duisburg - Straße: Schlägelstraße 13.

Letzte Änderung: 30.08.2017

Zusatzinformationen

Akteure

  • Ansprechpartner: Herr Pötter, Wohnungsgenossenschaft Rheinpreußensiedlung eG, Schlägelstraße 13, 47198 Duisburg, 02066/38811

Datensatz eingestellt am 20.11.2007 vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

Diese Seite

© GSB 5.0 - 2013